12
Jun

So gelingt das Sichern von Erfahrungswissen

Den größten Leidensdruck, den Unternehmen aus meiner Erfahrung haben, ist das Sichern von Erfahrungs- und Expertenwissen. In diesem Artikel möchte ich die wichtigsten Denkanstöße zum Thema Erfahrungswissen geben.

 

Was ist Erfahrungswissen?

In jedem Unternehmen liegen zwei Arten von Wissensbeständen vor: zum einen das bereits dokumentiert vorliegende Wissen in Form von Sachverhalten, Arbeitsanweisungen, Verfahrensanweisungen und in der Vielzahl an anderen Dokumenten.

Zum anderen existiert noch nicht dokumentiertes Wissen in den Köpfen der Mitarbeiter. Dies ist vor allem Handlungswissen – das „know how to“ -, das über Arbeitsanweisungen weit hinausgeht, Tipps, Tricks und Best Practice in Form von noch nicht artikulierten Wissen. Dieser implizite Wissensbestand macht den Großteil des organisationalen Wissens aus.

Aufgrund des demografischen Wandels bekommen Unternehmen schnell in existenzielle Schwierigkeiten, wenn Mitarbeiter in Ruhestand gehen und ihr wertvolles Wissen nicht sichern. Ein weiterer Punkt, den Unternehmen aus meiner Erfahrung nicht bedenken, ist zu prüfen, wie wichtige Schlüsselpositionen mit kritischem Wissen besetzt sind. Was passiert, wenn der Mitarbeiter aufgrund eines unvorhergesehen Ereignis ausfällt? Kann diese Position von einem anderen Mitarbeitern mit adäquaten Wissen aufgefangen werden?

Das heißt, es gilt zwei Säulen zu beachten, wenn sich Unternehmen mit dem Thema Erfahrungswissen auseinandersetzen, die jeweils eine andere Herangehensweise und Methodik erfordert:

Die erste Säule entspricht dem Szenario, wenn ein Mitarbeiter geht, also bei vorhergesehener Fluktuation, Der klassische Fall ist der Renteneintritt. Hier muss das jahrelang aufgebaute Wissen so gut und viel wie möglich mit überschaubaren Aufwand gesichert werden. Dies erfolgt am besten in moderierten Interviews mit vorheriger Aufbau einer Wissensstruktur der relevanten Felder zusammen mit dem Mitarbeiter. Zum Aufbau und Visualisierung der Wissensstruktur arbeite ich sehr gerne mit der Mind Maping Methode. Die Mind Map dient dann als mein Interviewleitfaden.

Die zweite Säule ist weitaus wichtiger – und auch schwieriger: es sollten Maßnahmen getroffen, dass die Mitarbeiter ihr eigenes Best Practice jederzeit on the job dokumentieren, teilen und so in die Prozesse des Unternehmens zurückgeben. Das Ziel ist ein kontinuierlicher Verbesserungsprozess der Geschäftsprozesse und Tätigkeiten.

Bei der Umsetzung der zweiten Säule sind schon viele Unternehmen gescheitert. Da wurden Social Kollaboration-Tools, ein Intranet oder Wiki mit der Hoffnung eingeführt, dass damit der Wissenstransfer funktioniert. Bitte lesen Sie hierzu auch meinen Blogartikel „9 Erfolgsfaktoren bei der Einführung von Social Collaboration“. Bevor ein Tool eingeführt, sollte eine durchdachte Konzeption vorliegen. Dieses bildet das Framework und beantwortet die folgende zentralen Fragestellungen:

 

  • Wie kann Wissen von einem Ort des Lernens an einen anderen transferiert werden? (Szenario: ein Mitarbeiter hat ein Lernerlebnis und möchte andere Kollegen und Teams dran teilhaben lassen)
  • Wie sollte das Wissen aufbereitet werden, so dass es an andere schnell weitergegeben werden kann und andere es schnell verstehen und wiederverwenden können?
  • Was ist der Kontext, also wie sieht die Arbeitswelt der Mitarbeiter aus und wie kann diese abgebildet werden?
  • Welche Medien stehen zur Verfügung?
  • Wie können Hürden zur Dokumentation verringert werden?

Im Folgenden möchte kurz auf die wesentlichsten Punkte eingehen:

 

1. Wissen zur Nutzung aufbereiten

Hier sollte überlegt werden, in welcher Form das (dokumentierte) Wissen dem Mitarbeiter zur Verfügung gestellt wird. Wird unterschieden zwischen Lernen vor einer Tätigkeit oder Lernen am Arbeitsplatz während der Tätigkeit? Dies ist jeweils ein ganz anderes Szenario mit verschiedener Zielsetzung. Eignet sich der Mitarbeiter vor seiner Tätigkeit Wissen an, dann lernt er die wesentlichen Grundlagen. Hierzu wird klassisch ein Seminar, Präsenztraining besucht, es liegen mehrseitige Handbücher wie zum Beispiel ein Qualitätshandbuch oder umfassende Dokumentationen, Verfahrensanweisungen – je nach Ihrer Branche und Tätigkeit – vor. Während der Tätigkeit, wenn ein Problem gelöst werden muss, muss der Mitarbeiter schnell das gelernte Wissen abrufen und in Erinnerung bringen. Was meinen Sie, was in diesem Fall besser geeignet ist: ein mehrseitiges Handbuch oder eine Checkliste, Bilder, Videos für den auszuführenden Arbeitsschritt/Tätigkeit in einem Prozess? Aus meiner Erfahrung heraus, machen sich die wenigsten Unternehmen hierüber Gedanken.

Erfolgsfaktor Nummer 1:
Bedenken Sie, in welchem Szenario sich der lernende Mitarbeiter befindet und in welcher Form Wissen aufbereitet wird, dass es optimal genutzt werden kann.

 

2. Kontext bieten

Erfahrungen müssen immer in einen Kontext eingebunden sein. Erst dann können Tipps, Tricks und Best Practice schnell eingeordnet werden. Ein passender Kontext – ich nenne dies das „Framework“ – ist sehr wichtig, damit Wissen schnell abgerufen werden kann. Denn wenn Erfahrungswissen erst langwierig gesucht werden muss, ist dies sehr frustrierend. Die komplizierte Suche ist der Hauptgrund, warum Wissen nicht genutzt wird. Der Mitarbeiter sieht keinen Nutzen im Wissenstransfer und wird dann auch wenig motiviert sein, selbst sein Wissen zu dokumentieren und zu teilen.

Erfolgsfaktor Nummer zwei:
Machen Sie sich Gedanken, wie die Arbeitswelt, der Kontext, der Mitarbeiter abgebildet werden kann, so dass Wissen schnell auf zwei Klicks zu Verfügung steht. Grundlage sind  die Prozesse und die Tätigkeiten der Mitarbeiter. Bauen Sie Ihr (technisches) Framework mit dieser Idee auf. Wissen sollte unkompliziert in Prozess abgerufen werden können.

 

3. Hürden abbauen: Struktur bieten

Das häufigste Argument ist: „Wir haben keine Zeit für das Wissensmanagement.“ Die Tools, die zum Wissenstransfer zur Verfügung gestellt werden, müssen so simpel wie möglich gestaltet sein. Die meiste Zeit nimmt das Dokumentieren und Niederschreiben des eigenen Wissens ein. Nicht jeder ist ein Schreibprofi und kann sich artikulieren. Bieten Sie vorgefertigte Templates an. Wiki-Seiten können Sie ebenso in grobe Überschriften und Kästchen vorstrukturieren. Eine solche Struktur bildet einen Leitfaden für Dokumentieren und baut Hürden ab. Reflektieren Sie für sich: Wie können Sie besser und schneller einen Artikel schreiben? Mit einer leeren (Wiki-) Seite oder mit einem vorstrukturierten Template mit den wichtigsten Überschriften? Auch hier bildet der Kontext, die Arbeitswelt, der Mitarbeiter wieder die Grundlage: überlegen Sie, wie Sie zum Beispiel Wiki-Artikel als Template zum Erfassen von Best Practice Wissen aufbauen können. Beachten Sie Erfolgsfaktor Nummer eins: damit schnell Wissen bei dem Ort der Problemlösung aufgenommen werden kann, sollte dies nutzerfreundlich vorliegen. Das Template sollte so aufgebaut sein, dass das dokumentierte Wissen Checklisten-Charakter hat. Außerdem sollte die Möglichkeit gegeben sein – falls dies in Ihrem Unternehmen erlaubt ist – Bilder und Videos hinzuzufügen. Denn ein Bild sagt tausend Worte.

Erfolgsfaktor Nummer drei:
Bauen Sie Hürden durch Struktur ab.

 

Letztendlich steht und fällt das Konzept mit der Motivation der Mitarbeiter. Damit die Mitarbeiter das System annehmen, sollten Sie von Anfang an bei der Konzeption eingebunden werden. Denn es gilt die Devise: was selbst mitaufgebaut wurde, wird auch gerne genutzt.

Gerne unterstütze ich Sie beim Sichern von Erfahrungswissen in Ihrem Unternehmen.

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